Bisher läuft es hervorragend mit unserem Vorankommen bei unserer Trans-Kanada-Challenge. Wir sind nun in Cape Breton, einer Insel im Norden Nova Scotias, nachdem wir die ersten Tage erst in Niagara Falls und Toronto verbracht und dann Neufundland durchquert haben.
Wir sind bisher über 1600 Fahrkilometer getrampt und haben in acht verschiedenen „Betten“ geschlafen. 50 Dollar haben wir einmal geschenkt bekommen, die wir (schmerzlich) gestern für unser allererstes bezahltes Bett, einen Zeltplatz, ausgegeben haben (eigentlich war er günstiger, aber dann kam noch die Nationalpark-Taxe…).
Dass wir bisher noch nichts für Unterkünfte ausgeben mussten, ist tatsächlich nicht einmal unserem eisernen Willen geschuldet, wenn nötig an jedem Straßenrand unser Zelt aufzuschlagen. Vielmehr ist es ein Beweis für die wirklich außerordentliche Gastfreundschaft Neufundlands.
Allein für den ersten Tag sollten wir eigentlich eine Drehgenehmigung an Hollywood verkaufen. Wir hatten unser Zelt auf dem Signal Hill in St. John’s aufgebaut, weil es einfach ein atemberaubender Blick auf die Stadt war. Jeder Zelterfahrene wird sich dabei an den Kopf hauen, wo ist bitte die Windabdeckung? Wir – zeltunerfahren – genießen den Ausblick, dann ins Zelt. Man ist das laut, warum flattert alles am Zelt. Darüber hinaus war nur die Hälfte der Heringe ausgeworfen, und wir lagen mehr schlecht als recht halb auf Moos, halb auf Stein. Naja, Ohropax rein und abwarten. 23 Uhr, Mitternacht, 1 Uhr. Wir konnten einfach nicht einschlafen. Dazu wurde der Wind immer stärker und an einem Punkt hat sich auch ein Hering gelöst. Zum Glück wurde es ab 3 Uhr ruhiger und ein bisschen Schlaf konnten wir noch kriegen.
Schlaflose Nächte sind immer ein Vorläufer für etwas besonders Gutes oder Schlechtes. Frühstück auf Signal Hill, zurück in die Stadt. Nette Fahrradtourende kennengelernt, die wir in Quebec besuchen wollen. Nun ging es los mit Trans-Kanada per Anhalter. Wenig später saßen wir beim Mittagessen im Haus von Chuongs kleiner Familie und dann fuhr er uns einfach über 300 Kilometer zu unserem erhofften Zielort, einfach nur, weil er uns etwas helfen konnte und weil er gerne spontan ist. Und das war noch nicht alles, er spendierte uns dazu noch Abendessen, das Fährticket, besagte 50 Dollar und einen Haufen guter Tipps und Ratschläge. Es war unglaublich und wir wussten nicht, wie wir uns fühlen sollten. Darf man so etwas annehmen? Wie kann man sich angemessen bedanken?
Aber Chuong war kein Einzelfall in Gastfreundschaft. Ein paar Tage später hatten wir unsere erste längere Wartezeit. Wir standen in Gander, es hat so ganz leicht geregnet und wir sind mehrfach zwischen Tim Hortons Kaffee und Straßenabschnitt hin und her. Nach zwei Stunden hielt ein Ehepaar, das uns tatsächlich über 300 km mitnehmen wollte! Michelle und Patrick waren selbst gerne am Reisen und Wandern, so unterhielten wir uns angeregt die ganze Autofahrt. Sie hatten uns von ihrer schönen Sommerhütte und dem Blick von dem Balkon ihres Hauses erzählt und Fotos gezeigt und als wir nahe am Zielort waren, luden die beiden uns spontan zu sich nach Hause ein! Wir wurden bekocht (nachdem wir schon ein Mittagessen ausgegeben bekommen haben) und hatten eine wundervolle Zeit. Am nächsten Tag fuhren sie uns zum Gros Morne National Park, wo sie uns einen Abstellplatz für unsere Backpacks organisierten und wir verabschiedeten uns. Wir hatten uns so gut verstanden, dass Michelle vorgeschlagen hat, uns zu adoptieren, unsere Eltern seien ja weit genug weg!
Nach unserer Wanderung im Nationalpark wollten wir noch zur Fähre nach Nova Scotia. Letztendlich führten uns zwei Rides wieder nach Corner Brook, wo Patrick und Michelle wohnten und da es schon dunkel wurde, riefen wir unsicher wieder bei unseren Adoptiveltern an. Und natürlich wurden wir erneut mit offenen Armen empfangen und konnten noch eine Nacht bei ihnen schlafen.
Und auch am letzten Tag in Neufundland bekamen wir von Shawn, einem Mann, der uns nur kurz mitgenommen hat, einen Tipp für eine gute Pizzeria. Wir bestellten und genossen unsere Garlic Fingers. Als wir mit dem Essen fast fertig waren, kam Shawn noch einmal in das Restaurant rein, wechselte ein paar Worte mit der Bedienung und ging dann wieder. Wenig später kam die Bedienung zu uns und teilte uns mit, dass unser Essen bezahlt ist und wir dazu noch zwei Desserts frei hätten!
Es kann einen zum Weinen bringen, mit welcher Hingabe wir hier aufgenommen werden. Ohne Vorurteil wurden wir ja noch als „gesichtslose“ Fremde von der Straße gepflückt, uns Essen ausgegeben und eine tolle Zeit bereitet. Nichts „Fremden sollte man nicht trauen“ oder „Hitchhiker können gefährlich sein“.
Haben wir das überhaupt verdient? Es fällt uns schwer, Gründe zu finden. Vielleicht durch den Mut, den wir aufbringen müssen, uns an den Straßenrand zu stellen. Vielleicht durch das Zuhören, was bei fünfstündigen Fahrten teilweise echt ermüdend sein kann? Vielleicht dadurch, dass wir in einer Art die Träume der Menschen, auf die wir treffen, verwirklichen und sie an unserer Reise aktiv teilhaben können?
Wie auch immer, wir versuchen, die Ungewissheit zu genießen, unsere Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen und weiter bis nach Vancouver durchzukommen. Bis dahin werden sich ganz bestimmt noch einige Geschichten anhäufen.
Das ist so großartig, was ihr erzählt! Ich halte hier auch immer die Augen auf für Tramper, aber es gibt hier keine… Ich bin auch zu wenig unterwegs. Ihr seid aber auch ganz liebenswert und habt es euch auch deshalb schon verdient! Weiter soviel Glück und auch Durchhaltevermögen!!!
Vielleicht nimmst du uns das nächste Mal ja mit 😛
Vielen Dank!
Ist ja wirklich bemerkenswert diese Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft. So kann es gerne weitergehen für euch …
Finden wir auch 😉
Es macht sooooo Spaß eure Blogs zu lesen, zu sehen wie toll Menschen sein können und man ins Leben vertrauen kann und ich komme wieder so sehr in Reiselust!!
Ganz lieben Dank! Ja, wir finden es auch toll, da man heutzutage eigentlich denken würde, dass jeder nur sich selbst im Kopf hat. Aber das Trampen ist ein bisschen wie ein Filter, dass nur tolle Menschen einen mitnehmen.
Wo möchtest du denn am liebsten als nächstes hin?