Securite, securite, securite!

Nachdem wir wieder lebend aus Kolumbien herausgekommen sind, könnten wir vielleicht auch mal über das Thema Sicherheit sprechen. Okay, vielleicht wäre es auch schon nach unserem Hitchhiking-Abenteuer durch Kanada angebracht gewesen. Nicht zuletzt stellen sich unsere Eltern bestimmt gespannt die Frage, wann es denn nun endlich für uns nach Pakistan geht.

Kolumbien? Da ist es doch gefährlich wegen des Drogenkartells. Ist uns dort etwas zugestoßen? Wir könnten einfach antworten: „Wir hatten wirklich außergewöhnliches Glück, hatten aber auch alle möglichen Präventionen unternommen und haben gleichzeitig von anderen gehört, denen leider Pässe, Portemonnaie, Rucksäcke und sonst was geklaut wurde.“

Außerdem könnten wir sagen: „In jeder Hinsicht sollte man sich nachts nicht draußen aufhalten, am besten auch nicht tagsüber. Das Taxi (besser noch UBER, Taxifahrer kann man ja auch nicht vertrauen) sollte einen am besten direkt vor dem Hotel abholen und direkt zur Sehenswürdigkeit bringen. Außerdem sollte man seine Wertsachen lieber im Hotel lassen, dass sie einem nicht geklaut werden, aber gleichzeitig auf keinen Fall im Hotel lassen, weil dort ja eingebrochen werden könnte.

Außerdem sollte man wegen des verunreinigten Wassers nichts essen und nichts trinken, dass man nicht selbst zubereitet hat, sollte aber gleichzeitig keine Küchen nutzen, da diese unhygienisch seien. Wasser nur aus Trinkflaschen zu sich nehmen, aber immer checken, ob der Klickverschluss noch klickt, da sonst ja sein könnte, dass da verschmutztes Leitungswasser nachgeschüttet wurde.

Und dann keine Getränke in Bars von Fremden annehmen, keine Flirts entgegnen, keine Nachtbusse, Auto mieten, abends an Stränden, kein Baden (wegen der Haie), keine Ausflüge ohne Guides und kein Bargeld in Wechselstuben tauschen aber auch nicht von Geldautomaten abheben und nicht mit Karte zahlen (es könnten ja die Kartendaten gespeichert werden).“

Klingt nach einer unkomplizierten und entspannten Reise? Los geht’s!

Alles, was oben aufgelistet wurde, ist uns tatsächlich angewiesen worden, als wir in Kolumbien gereist sind, entweder von Websites oder Schildern oder als (immer so wertvoll gehandelten) Tipps der Locals. Da kann man natürlich kirre werden. Wir haben sogar vermutet, dass diese Geschichten einer der Gründe sind, warum wir kaum deutsche Touristen in Kolumbien gesehen haben (während im Rest der Welt anscheinend hinter jedem Berg ein Nest sein muss).

Bevor wir darüber berichten, was wirklich unsere Erfahrungen und Tipps sind, wollen wir uns den Begriff der Sicherheit noch einmal genauer anschauen. Wie sicher oder unsicher ein (Reise-)Ort ist, bewerten wir natürlich ganz objektiv immer: (1) an den Erzählungen und Bewertungen in Chat-Foren, oder (2) einfach anhand der jeweiligen Länderseite des Auswärtigen Amts.

Aber geht es da wirklich um die „Sicherheit“? Eigentlich geht es viel mehr um ein subjektives Sicherheitsempfinden. Dieses ist ausschlaggebend, ob man sich in der Umgebung wohl- und sicher fühlt – unabhängig davon, ob die empfundene Sicherheit tatsächlich gegeben ist oder nicht. Das heißt, manche Orte können auf Basis von Kriterien wie Kriminalitätsraten tatsächlich sicherer sein, obwohl man sich dort subjektiv nicht sicher fühlt. Wie zum Beispiel seine alte Schule. Oder die Gegend der/des Ex.

Wenn man nun diese ganzen Vorkehrungen liest, wo man alles sein und nicht sein darf, was man alles haben und nicht haben sollte, bekommt man natürlich eher ein mulmiges Gefühl. Auch ich bin schuldig und hab mir im Vorhinein sogar ein zweites billiges Handy angeschafft, was ich in Südamerika ausschließlich nutzen sollte, damit ein „wahrscheinlicher Klau“ kein größeres Hindernis für unseren Reisefortgang stellen würde.

Was sind nun also unsere wirklichen Erfahrungen? Wir haben uns sehr wohl gefühlt und es ist nichts passiert. Im Endeffekt müssen wir sagen, dass man sich in Südamerika eigentlich ganz normal, wie in Europa, fortbewegen kann. Nach den ersten paar Tagen „Klau“strophobie (laut Google eigentlich Harpaxophobie) und Eingewöhnungszeit habe ich auch nicht mehr mein blödes Ersatzhandy sondern das normale getragen.

Die realistischen Gefahren in Städten, vor denen wir Vorkehrungen treffen wollten, waren Taschendiebstahl, Trickbetrug und Raub.

  • Pässe und Wertsachen immer im Hotel oder im Blick: Da wir eh in den billigsten Hostels abgestiegen sind, sind wir nicht davon ausgegangen, dass jemand in unsere Zimmer einbricht. War uns sicherer, als dauernd mit Bargeld herumzugehen.
  • Unsichere Viertel meiden: Vor unserem Städterundgang haben wir einmal kurz gegooglet, wo man eher nicht hingehen sollte. Es waren meist immer gebündelte Viertel am Stadtrand oder in Richtung des Busterminals oder Flughafens. Dort sind wir dann nicht hin.
  • Händler ignorieren: Egal wer uns anspricht, wir haben jeden ignoriert, meist dabei auf den Boden geschaut und leicht den Kopf geschüttelt. Dabei habe ich schon oft hingehört, was sie wollten (es kann ja sein, dass ich mein iPhone habe fallen lassen und es mir jemand nachträgt).
  • Keinen Schmuck tragen: Haben wir eh nicht viel mit, ich habe aber meine Laufuhr abgelegt und Leah ihre dicken (natürlich von mir geschenkten) Diamantenklunker 😉

Für alle anderen Sicherheitsvorkehrungen fanden wir es nicht wert, unsere Reise für ein noch geringeres Risiko einzuschränken. Ja, es gibt ganz selten, vereinzelt Überfälle in touristische Restaurants, aber soll man deswegen nicht mehr essen gehen und verhungern? Oder soll man sich eine Waffe anschaffen?

Wir haben mehr und mehr ein subjektives Sicherheitsempfinden entwickelt, sodass wir ein paar reelle Gefahren im Kopf behielten, aber den Rest dann doch in den Hinterkopf verschoben. Ab einem Punkt kann man nicht jede Unsicherheit kontrollieren und der Rest gehört dann zum Kapitel „Gute Story“.

Was uns aber aufgefallen ist, dass das subjektive Sicherheitsgefühl eine hervorragende Möglichkeit ist, ein bisschen mehr Geld zu nehmen. Klar, man braucht sich nur ein paar dieser cheesigen US-Werbungen für Alarmanlagen anzuschauen.

Aber es ist dann schon schräg, warum Backpacker mitten am Tag für eine Distanz von 1,5km ein UBER von der Bahnhaltestelle zur supertouristischen Comuna 13 in Medellin bestellen, obwohl der Weg dahin ungefähr so gefährlich ist wie die Venloer Straße in Köln-Ehrenfeld.

Und wenn im unwahrscheinlichen Falle wirklich mal was passiert, was man meistens auch nicht wirklich vermeiden hätte können, kann man sich sicher sein, dass man sehr schnell umfassend darüber liest. Jede kleinste Story landet in Chatforen und wird noch einmal aufgebauscht und geschmückt, jeder liebt doch True Crime. Und so werden die nächsten Backpacker sich wieder gebrauchte Handys kaufen und mit dem Taxi zur Comuna 13 chauffiert werden.

Es wurde viel pauschalisiert, gebe ich zu. Besser noch ein vorsichtiger Disclaimer, dass das alles unsere (humoristische) Meinung ist und dieser Bericht nicht als Anleitung zur sicheren Bereisung Südamerikas ist (das glaubt hoffentlich ohnehin niemand). Daher ein wichtiger Nachtrag: Wo man vielleicht wirklich aufpassen und weitere Vorsichtsmaßnahmen organisieren sollte, sind Regionen, die nicht touristisch und auf einer Warnliste stehen, aber da will man meistens eh nicht hin.

Am Ende hat jeder und jede sein eigenes Sicherheitsgefühl. Man muss sich seine eigenen Regeln setzen, diese im Hinterkopf behalten und mehr oder weniger strikt befolgen. Zu wenig aber auch zu viele Sicherheitsvorkehrungen können einem die Reise ruinieren. Am Ende muss man zwischen dem ganzen Wahn einfach auf seinen Menschenverstand achten (wenn man einen hat) und sich nicht so die Hektik machen.

1 Kommentare zu „Securite, securite, securite!“

  1. Ihr Lieben, das klingt sehr abgeklärt, nun seid ihr endgültig auf der Reise mit dem Weg als Ziel angekommen! Ich wünsche euch immer die nötigen feinen Sinnesempfindungen für Gefahrensituationen, vor allem, wenn ihr erschöpft, müde,gesundheitlich angeschlagen oder uneinig seid!!! Da müsst ihr euch besonders anstrengen und ganz bewusst eure Sinne abfragen, denn da seid ihr sehr schnell angreifbar.
    Ganz liebe Grüße und immer die richtige Nase
    Mama ❤️❤️

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