It’s Africa Time!

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Hallo! Jetzt geht es…

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…los! Willkommen in Kenia. In Afrika dauert alles etwas länger. Uns traf es komplett unvorbereitet, assoziierten wir Kenia eigentlich vor allem mit der dichten Masse an Weltklasse-Marathonläufern, deren Zeiten sich definitiv nicht mit denen des hiesigen Busnetzes gleichen.

Unser erster Tag in Afrika galt der Ankunft und Akklimatisierung. Dies gelang in gewissen Aspekten erstaunlich gut. Nach Indien preisten wir die Modernität der Autos, Straßen und Läden (was zeigt, dass wir wohl deutlich zu lange in Indien verweilt hatten). Die Bezahlung läuft überwiegend digital, wenn auch über eine Art kenianisches PayPal, wofür man eine kenianische Nummer braucht, wofür man die SIM-Card nur in ausgewählten Telefonläden erhält, wofür man wiederum bereits Bargeld abgehoben haben muss, wofür man seine Kreditkarte in der App freigeschaltet haben muss, wofür man wiederum bereits Internet haben muss, also alles ganz simpel und problemfrei.

Nur die Akklimatisierung an das Essen war leider ein Schritt in die falsche Richtung. Das Wort vegetarisch lässt sich nur schwer auf Swahili übersetzen, außerdem habe ich schon ganz vergessen, wie müde ich vom fettigen, westlichen Essen werde. Uns wurde erzählt, dass Warzenschweine so kleine Gehirne haben, dass sie während der Flucht vor Raubtieren plötzlich vergessen, weshalb sie überhaupt weglaufen und wieder zurücklaufen – ziemlich traurig. Naja, mein Gehirn ist in punkto Essen ähnlich und deswegen gibt es trotzdem jeden Tag den gleichen Fehler und einen Burger mitsamt anschließender Trance.

An Tag zwei hatten wir vor, eine kurze Fahrt in das 90km entfernte Naivasha zu unternehmen. Entweder als Touristen mit Privattaxi für 90 US$, oder als Locals im Matatu. Hakuna Matatu, let‘s go. Nach kurzem Durchfragen in Nairobis Central Business District stehen wir in der Straße mit den unzähligen Minibussen, die liebevoll dekoriert und beschmi… angemalt sind. Routiniert werden wir von einem Mittelmann in ein noch recht leeres Matatu geworfen. Es standen einige Ortsnamen auf dem Dach, zwar nicht unser gewünschte Zielort, aber die würden sicherlich ihren Job gut machen. Kurzer Zeig auf das Preisschild, 500 Schilling, glich der Einschätzung unserer Hotelrezeptionistin, alles okay. Wann würde das Matatu abfahren, fragte ich. Es dauert 1h30, war die Antwort. Ah er hat mich falsch verstanden, denn ist ja die Fahrzeit. Es stellte sich heraus, er hatte mich nicht falsch verstanden…

Unser Matatu hatte einen fetten TV-Screen eingebaut, der mich schnell in den Bann zog. Während ich gespannt Folge um Folge National Geographic Africa’s Deadliest Animals ansah (und mich damit auf unsere bevorstehende Fahrrad-Safari vorbereitete), fiel mir gar nicht so auf, dass wir bereits über eine Stunde im Van saßen, der sich nur sehr langsam füllte. Zwei Minuten entfernt war doch unser Hotel, warum hatten wir uns so beeilt?

Nach weiteren 40min war auch der allerletzte Sitz erfolgreich belegt und die Fahrt ging los. Es schien die Lebensmission des Fahrers zu sein, die knapp 2h Verspätung auf der kurzen Distanz nach Naivasha wiedergutzumachen. Hat er nicht geschafft, trotz der 15 nun im Graben liegenden Motorradfahrer der Gegenspur.

Die 90km-Reise war in vier Stunden vollbracht. Am Ende wurden wir noch um die Information schlauer, dass wir mit 500 Schilling natürlich viel mehr gezahlt hatten, da es der Preis bis zum Endhaltepunkt war. Jaja, die Mittelmänner machen wirklich ihren Job gut.

Durch die leichte Verspätung hatten wir ein Loch im Bauch. In unserem schmucken Hostel angekommen waren wir erleichtert, dass sie auch Essen servieren. Wir bestellten zwei Gerichte und setzten uns als einzige Gäste in den anliegenden Garten. Die Bedienung war so adynam, dass mir langsam klar wurde, dass wir vielleicht die Spielkarten rausholen sollten. Nach guten zwei Stunden kamen unsere Nudeln mit Tomatensauce. Aber sie waren warm.

Nun ja, wir sind in Afrika und hier gilt die Africa Time. So nervig es für einen Touristen auch sein kann, wenn Busse keine Abfahrtszeiten haben, Restaurants ewig brauchen und man das Gefühl hat, dass der halbe Tag mit Warten verschwendet wird – es scheint ein Teil afrikanischer Kultur zu sein. Anthropologen (wer sonst forscht besonders gerne in Afrika) sagen dazu genüsslich „Polychronismus“ – also, wenn Zeit als Konzept eher dehnbar gesehen wird, wenn Terminvereinbarungen eher vage sind und mehrere Dinge gleichzeitig gemacht werden, wobei weniger Wert auf Pünktlichkeit, Fokus und Planung gelegt wird. Tatsächlich geht dieses kulturelle Verhaltensmuster auch dem ein oder anderen Afrikaner auf den Senkel. So wird die Africa Time vereinzelt sogar als Hauptgrund für die anhaltende Unterentwicklung des gesamten Kontinents gesehen.

Umso besser erklärt es den Unmut eines Touristen, da westliche Kulturen, vor allem wir Deutsche, besonders stolz auf unsere Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und unsere funktionierende Deutsche Bahn sind.

Aber glücklicherweise sind wir ja nicht in Afrika, um unsere deutschen Werte durchzusetzen, sondern um zu lernen, was wir uns in anderen Kulturen vielleicht abschauen können. Nach wenigen Tagen haben wir bereits gemerkt, dass in der Africa Time alles organischer funktioniert und Flexibilität von allen Seiten angeboten wird, wenn nicht alles strikt nach Zeitplan läuft. Es herrscht eine Leichtigkeit, die sich beispielsweise darin gipfelt, dass einen Nachmittag in Nairobi spontan Leute stehen bleiben und gemeinsam einen Tanz einüben – ohne jeglichen Sinn und Zweck, er wurde nicht einmal für TikTok aufgenommen.

Und auf unser Fahrrad-Safari, die übrigens am Ende in einer verzweifelten Odyssee endete (unser Highlight und größter Umweg, der Spa mit einzigem Restaurant weit und breit, hatte spontan geschlossen: Africa Time…), hat sich wirklich jedes vorbeifahrende Auto nach uns Mzungu („Hellhäutige“) erkundigt, es wurde sich Zeit genommen und sich geholfen, man selbst könnte ja der nächste sein, der Hilfe benötigt. Im heutigen Stress des ständigen Effizienzdenkens ist die Africa Time, sofern man sich ihr vollständig ergibt, ein entspannter und sozial verträglicher Gegenpol, den wir irgendwie in unseren Alltag einbauen wollen.

1 Kommentare zu „It’s Africa Time!“

  1. Looking forward to hearing about the bike Safari! This post gives an idea what you might have encountered. But I think Iunderstand that you got back from it at least? Not long now and you’ll be back in Germany with all sorts of decisions to make. Maybe put the boat in the water and drift for a week or so to allow you to get acclimatized to the pace of the motherland! Best wishes for a great end to your adventure!

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