Seit fünf Wochen reisen wir schon kreuz und quer durch Indien, diesen faszinierenden, lauten und verrückten Subkontinent. Indien – da denkt man an das mächtige Taj Mahal, an unvorstellbare Menschenmassen in Delhi, Verkehrschaos an einfachen Kreuzungen, an die üppigen und sagenumwobenen Paläste in Jaipur, an den immer freundlichen Lieferjungen des „Inders“ von nebenan (Swaad in Müngersdorf, wir vergessen euch nicht), vielleicht auch an Bilder überfüllter Züge. Die wahrscheinlich bekannteste touristische Route ist das sogenannte Goldene Dreieck, das Delhi, Jaipur und Agra (Taj Mahal) verbindet. Hier haben wir auch die meisten westlichen Touristen gespottet (natürlich an den kurzen Hosen und den bauchfreien Tops).

Es gibt aber noch ein anderes goldene Dreieck, das jedem westlichen Backpacker in der ein oder anderen Art auf seiner Indienreise begegnen wird, das mindestens genauso spicy, authentisch und pur indisch ist.
Wenn ich mich an das erste Halbjahr unserer Weltreise zurückerinnere, war sie bisher eine gut geplante und überwiegend problemfreie Rundreise durch verschiedene Erdteile, die sich zwar in Landschaft und Kultur unterschieden, wir jedoch überall gut klarkamen. Umso krasser war der Moment, als wir vor fünf Wochen das erste Mal indischen Boden betraten. Im Voraus wurden uns viele Tipps und gute Ratschläge gegeben – denn Indien sei nicht für Jedermann. Zunächst sei da einmal die Hitze, die einen zu schaffen mache. Da wir aber durch den australischen Backofen vorgewärmt waren, müsste das kein Problem sein. Außerdem sei das indische Essen scharf, so sehr, dass es einem die Tränen rausdrückt, die einem dann das Essen wenigstens nachsalzen. Auch darauf haben wir uns sehr gut vorbereitet und waren im Voraus der Reise schon mindestens in zwei indischen Restaurants essen („Mango chicken, no spicy please“) und haben uns dort durch die Naan-Kollektionen durchprobiert.
Was wir aber als echte Herausforderung beim Reisen als Westler durch Indien erkennen und respektieren lernen dürfen, lässt sich unter folgendem „Goldenen Dreieck“ zusammenfassen:
Das indische Besteck – das indische Waschbecken – die indische Toilette
Fangen wir an mit dem indischen Besteck. Es gibt keins. Man isst mit der Hand. Punkt, fertig.

Okay, nicht so schnell. Unser deutsches Brot essen wir ja auch mit der Hand, ganz Mutige legen sogar ihre Bergkäsescheibe mit der Hand statt mit dem Käsemesser auf (wofür liegt es denn sonst da?). Das müssten wir doch eigentlich hinbekommen. Gleich am ersten Tag in Kerala wurden wir mit dem indischen – also nicht existenten – Besteck konfrontiert. Zum Glück haben wir Dosa bestellt, ähnlich wie französisches Crepe. Ein paar Blicke nach rechts und links, einfach mit dem Dosa-Crepe-Teig eine Schaufel formen und die Soße aufsammeln. Klappte gar nicht so schlecht. Bei suppigeren Speisen hat man dann doch einen Löffel bekommen, den wir natürlich zweckentfremdet haben und er dann auch als Messer und Gabel diente.

Ein paar Tage später dann der Kulturschock. Wir aßen ein Paneer Butter Masala mit unserem Löffel, da fiel mein Blick auf ein junges Pärchen am Nebentisch, dass einen großen Teller mit Reis und irgendetwas Curryartigem serviert bekam. Sofort begannen beide, ihre Hände gekonnt in ihrem Abendmahl zu vergraben, das Curry in ihre Haut einzumassieren und alles so gut zu verrühren, dass man die Finger gut mit den Hähnchenstücken hätte verwechseln können. Ich glaub ich guck nicht richtig. Dann schaute ich auf meinen Teller. Mein Paneerkäse in der rötlichen Curry-Soße schaute mich verführend an und flüsterte leise: „Fass mich an! Fass mich an!“ Ich haute schnell mit dem Löffel drauf, setzte Scheuklappen auf und aß schnell und gedankenversunken weiter.
In den nächsten Wochen konnten wir uns einen besseren Überblick schaffen, dass viele Inder auch Löffel bevorzugen, aber man immer wieder das „Hand essen“ sieht. Dafür sind in jeder Essgelegenheit auch immer indische Waschbecken verfügbar, wozu wir perfekt zur nächsten Ecke des anderen goldenen Dreiecks kommen.

Also eigentlich ist es ein normales Waschbecken, was sich äußerlich nicht von anderen Waschbecken unterscheidet. Man dreht den Hahn (statt ihn hochzuklappen) und vermeintlich frisches Wasser lässt einen die gleich zum Rühren und Löffeln zu nutzenden Finger (vor dem Essen) sowie die eben genutzten Finger (nach dem Essen) abwaschen. Vermeintlich frisch, ist klar. Dieses Wasser ist die Mutter allen Übels der schier unendlichen Vielfalt indischer Keime, die einen von einem Tag bis zu einem Monat den Urlaub verderben kann. Also bloß nichts in Wunden oder den Mund beko… Ähm, hat der Mann gegenüber gerade das Wasser gegurgelt?
Vielleicht sind indische Körper besser daran gewöhnt und bekommen deswegen weniger Durchfall. Tatsächlich haben wir gehört, dass das nur bedingt stimmt und sich viele Inder auch einfach durchplagen und an ein leichtes Magengrummeln gewöhnt sind. Nicht so schön, wenn das Alltag ist.
Nun weiter im Händewaschvorgang. Seifen liegen meistens sogar parat. Handseifen. Feste Handseifen. Die ja von den Essensfingern der hundert Vorgänger genutzt wurden. Ein faszinierendes indisch-hygienisches Dilemma, seine Hand mit dreckigem Wasser und dreckiger Seife sauberzumachen.
So, Hände sind „sauber“, abtrocknen irgendwo? Handtücher natürlich nicht vorhanden (ist wahrscheinlich auch besser so). Der Blick wandert an mein gerade noch neues Hemd über die schon dreckige Hose. Da war noch Platz an der Hüfte zwischen den anderen Flecken. Mittlerweile haben wir auch eine ausgefeilte Schütteltechnik entwickelt, die sich Dyson von uns gerne patentieren würde.
War etwas übertrieben, das indische Waschbecken? Ich habe vergessen, zu erwähnen, dass das Abwasserrohr ein einfacher Schlauch ist, der den Inhalt einfach auf dem Boden verteilt, worauf sich dieser dann seinen Weg in den Abfluss am anderen Ende des Raumes oder der Straße findet… Achtung, Füße hoch!
Und dann ist da noch die kleine beiläufige Besonderheit indischer Toiletten. Hier in Südostasien gibt es ja eine andere Klo-Variante, die man gut als das „Loch im Boden“ bezeichnen kann. Man geht in die Kabine, denkt immer erst (auch noch nach fünf Wochen), die haben das Klo vergessen, bis man das Loch im Boden als Hocktoilette identifiziert. Manchmal hat man sogar Rillen aus Keramik, wo man dann seine Füße rutschfest platzieren kann. Soll gesünder sein dieser Vorgang, wird gesagt, weil… ähm, nun ja, einfach googeln.

Die große Frage, die sich mir (und sicherlich auch jedem Westler) stellt, ist, wie man sich danach den Hintern abwischen soll. Mit Klopapier? Wie naiv, es gibt keins. Was soll denn dieser Duschkopf auf Kniehöhe? Okay, man hat es auch schon in Dokus mal gesehen. Ich will nicht zu sehr in das Detail gehen. Aber wie bitte soll man sich den Po absprühen, dass man wieder sauber ist, und besonders, ohne dass seine gesamte Kleidung dabei nass wird? Zumal man ja nach oben sprühen müsste.
Nach etlichen Wochen ist das, was auf indischen Toiletten vor uns und nach uns passiert, weiterhin ein Rätsel. Ich habe den Duschkopf schon ein paar Mal genutzt, um mir die vom Straßenstaub dreckigen Füße abzuspülen, das funktionierte sehr gut, der Strahl kam sehr zielgenau. Schon einmal ein Indiz. Auch dass der Boden von indischen Toiletten meistens komplett durchgespült und die Sitzschale vollgetropft ist, bedeutet, dass auch nicht alle Inder so zielgenau arbeiten. Leah hat gehört, dass sich die Inder komplett ausziehen, aber wegen fehlender Kleiderhaken haben wir dies auch ausgeschlossen. Und selbst wenn, vor dem Anziehen müsste man sich ja mit irgendetwas abtrocknen, hat jeder Inder immer ein Handtuch in der Hosentasche? Dann gibt es da noch die böse linke Hand. Wir wurden instruiert, niemandem die linke Hand zu geben und auch nicht mit Links zu essen. Aber wir können uns einfach nicht vorstellen, unsere Hand in wiederverwendbares Klopapier umzufunktionieren, vor allem Leah als Linkshänderin. Lieber horten wir alles auffindbare Klopapier, nutzen es langsam sogar als Tauschwährung, haben überall ein paar „Scheine“ versteckt, in der Kameratasche, in den Rucksäcken und in der Hose, falls es mal schnell gehen muss.
Jedenfalls ist dieses andere „Goldene Dreieck“ (Leah wollte es eigentlich „Braunes Dreieck“ nennen) eine echte Herausforderung, an die man sich nur langsam anpasst. Das fiese ist, dass sich all diese Elemente bedingen. Nach dem Klogang würde man sich – egal ob linke Hand oder Klopapier – ja doch gerne die Hände waschen. Wenigstens um dann ja wieder seine Dosas oder Naans als Aufsaugmaterial zu nutzen. Und das alles mit dem Wissen, dass sämtliche Teller und Oberflächen (wie auch man selbst in der Dusche) nur mit diesem dreckigen Keimwasser gereinigt wurde. Manchmal vermisse ich Deutschland.
Man hat ja schon vom „Goldenen Dreieck“, von der indischen Version von Hygiene gehört, aber es selbst hautnah mitzuerleben ist bestimmt schon eine große Herausforderung.
Der indische Organismus hat sich über Jahrhunderte auf dies Bedingungen eingestellt und wahrscheinlich sind die spicy Gerichte ein Teil der Virenbekämpfung.
Aber bisher habt ihr ja den authentischen indischen Way of Life bzw. die Unwegsamkeiten ganz gut gemeistert. Mal gespannt was da noch kommt, …. und wie heißt es so schön, „was einen nicht umbringt macht einen nur stärker“.
Lots of memories surfaced while reading THIS blog! A pretty accurate account of life in public there. Nothing like living and experiencing real life when you’re travelling. What’s the point of staying in resort hotels which are the same all over the world? Experience is what you’re gaining from this trip…and good German medicine will eradicate any viruses you happen to bring back with you. I most remember the fragrant warm air though…in the countryside (more so than the streets.) You’ll be forever changed from this year of travel and in a good, positive way! What an education! I“m envious!